2. Die Städte an der der Unteren Elbe Tschechiens
Vom Melniker Schlossberg hat man einen weiten Blick über das böhmische Kernland
Der Weinbau an den Elbhängen geht auf Ottokar II. zurück, der hier Weinreben aus Burgund anbauen ließ. Melnik ist heute noch ein bedeutendste Anbaugebiet Böhmens, und schon 1884 wurde hier die erste Weinbauschule Böhmens gegründet.
Auf dem Schlossberg befindet sich die Altstadt. Sie liegt zwischen zwei Stadttoren, von denen das Prager Tor das schönste und größte Bauwerk ist. Am Flussdelta, das von Prag aus entlang der Moldau gut zu erreichen war, entstand schon früh eine bedeutende Stadt. Der böhmische König Ottokar II. erhob sie zur Königsstadt und Kaiser Karl IV. verlieh der Stadt zahlreiche Privilegien
Der Markplatz ist unter der Woche fast menschenleer, und die Häuser an den Straßen zu Unterstadt sind häufig verfallen. Die Jugend zieht es in das nahe Prag, und die Prager zieht es vermutlich nur am Wochenende in die Altstadt und zu einem Spaziergang in die noch intakten Auenwälder des Elbe-Moldau-Dreiecks.
Unterhalb des Burgbergs mündet die Moldau (der Moldaukanal) in die Elbe
Die Elbe fließt bis zur Einmündung der Moldau bei Melnik nur 261 Km, während die Moldau es bis dorthin bereits auf eine Laufstrecke von 425 Km bringt. Auch transportiert die Moldau – verglichen mit der Elbe- die dreifache Menge des Wassers in das Mündungsdelta ein.
Das Moldautal, so wie es Smetana musikalisch verewigt hat existiert nicht mehr
„Prag, die Hauptstadt Böhmens, stand im Zeichen des Nationalitätenkampfes zwischen Deutschen und Tschechen. Indem Smetana die Moldau zum Teil seines sinfonischen Zyklus Ma vlást (Mein Vaterland) machte, stellte er den Fluss, der so majestätisch durch Prag, die goldene Stadt, strömt, in eine Reihe mit den anderen Mythen und Symbolen der tschechischen Geschichte (Rada,2012)“.
Neun Stauseen mit einer Gesamtlänge von 190 Kilometern - die Moldau-Kaskade - haben zu starken Veränderungen an Fluss geführt
Das Moldautal, so wie es Smetana musikalisch verewigt hat existiert nicht mehr. Neun Stauseen mit einer Gesamtlänge von 190 Kilometern - die Moldau-Kaskade - haben zu starken Veränderungen an Fluss geführt. Die Vielzahl der Staumauern wurden zwischen 1954 und 1962 errichtet, und allein der wasserreichste Stausee der der Moldau-Kaskade, der Orlik, ersteckt sich über eine Länge von 68 Kilometern.
Mit der Mündung des Moldau Schifffahrtskanals beginnt die Zählung der Elbkilometer mit der tschechischen Unterelbe bei Stand von Null, sodass die unser Strom am Flusskilometer 120 die Staatsgrenze erreicht
Flussaufwärts bis zur Quelle werden nun ebenfalls – beginnend vom Stande Null - die Flusskilometer der Elbe gezählt – diesmal also stromaufwärts.
Leitmeritz orientierte sich nach Dresden
Mit dem Wiener Kongress (1814/15) wurde die sogenannte Elbkakte beschlossen, die eine freie Schifffahrt und eine drastische Reduzierung der Zollstationen auf dem Fluss vorsah. Die Stadt orientierte sich gen Sachsen und der regelmäßige Dampferverkehr von Leitmeritz nach Dresden verbesserte sich stetig, und brachte der Stadt einen lang anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung.
Leitmeritz, die Stadt deutsch – tschechischer Auseinandersetzungen
Die Ereignisse von 1848/49 schürten eine großdeutsche Stimmung und Leitmeritz stellte sogar einen Abgeordneten in der Frankfurter Paulskirche. Die deutsch-böhmische Bevölkerung der Stadt antwortete noch auf die Gründung der Tschechoslowakischen Republik 1918 mit einer (erfolglosen) Unabhängigkeitserklärung.
Darauf konnte Konrad Henlein, Gründer der nationalsozialistischen Sudetendeutschen Partei (SdP) aufbauen
1936 in seine Rede über Kulturaufgaben in der Tschechoslowakei: „wir fühlen uns als Angehörige der großen Kulturgemeinschaft der Deutschen in aller Welt“. Und weiter: „Eine Tschechoslowakische Kultur als Mischkultur aller Völker unseres Staates würde (unsere) Kulturkraft der schwächen „
4. Die Realität aber war: Um 1900 sind noch 6 % der Prager Bevölkerung Deutsche
Die deutschsprachige Bevölkerung konzentrierte sich vor allem auf die großen Städte. Aber selbst in Prag verloren aber die Deutschen ihre Mehrheit und ihren Einfluss, und so zählte man hier um 1900 einen deutschen Bevölkerungsanteil von nur noch 6 Prozent. Im frühen 19. Jahrhundert entdeckten viele Tschechen Ihre eigene Sprache, ihre Geschichte und ihre Literatur. Zwischen der Mitte des 18. und des 19. Jahrhunderts verdoppelte sich die Bevölkerung Böhmens, insbesondere die tschechische.
1200 Jahre war Tschechien Bestandteil des Deutschen Reiches, heute ist uns das Land trotz unserer langen gemeinsamen Grenze fremd geworden.
Weder die deutsch-polnische noch die deutsch-französische Grenze ist so lang wie jene der Tschechen, die bogenförmig in Sachsen und Bayern hineinragt. Eine beträchtliche deutsche Minderheit hat hier in den vergangenen tausend Jahren gelebt.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts verfolgten die Tschechen längst das Ziel eines autarken Staates. Die Agonie unter den Habsburgern dauerte jedoch noch 200 Jahre bis 1918
Die Habsburger bevorzugten das Kronland Ungarn und waren stolz auf ihre „Doppelmonarchie“. Die nationale Vertretung des „Kronlandes Tschechien“ war lange Zeit unbedeutend. 1918 wurde vom Tschechoslowakischen Nationalausschuss eingesetzt, der 2 Jahre später wurde die Tschecho-Slowenische Republik gegründet.
Traum von einer eigenen Republik ein fand ein jähes Ende
Schon nach Ausführung Münchener Abkommen von 1938 hinterließ man mit nicht mehr als 40 % der tschechischen Industrie einen fast wehrunfähigen und nur noch mühsam wirtschaftlich selbstständigen Staat. Adolf Hitler besetzte bald den Reststaat und verkündete 1939 die Errichtung des „Reichsprotektorats Böhmen und Mähren
Das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren
In den besetzten Gebieten fanden zunächst Vertreibungen und Morde an Tschechen, sowie Massenmorde und Verschleppungen von tschechischen Juden und Sinti und Roma statt. Die folgenden Vergeltungsaktionen, wie zum Beispiel Sabotageakte tschechischer Widerstandskämpfer, führten erneut zu grausamen Aktionen durch die Wehrmacht und die SS. Als Konsequenz wurden alle Deutschböhmen, die bereits 200 Jahre als „Deutschösterreicher“ lebten aus ihrer Heimat vertrieben.
Der „Kindergarten“ in Theresienstadt: Im sogenannten „Vorzeige KZ“ sind alle Kinder deportiert und umgebracht worden.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren an nahm der Terror kein Ende. Die Forschung geht von 330.000 bis 360.000 Opfern aus, darunter rund 270.000 Juden. In der Prager Synagoge finden sich heute zahlreiche Stücke alten jüdischen Kulturguts, das die Nationalsozialisten ursprünglich für ihr „Jüdisches Zentralmuseum der ausgestorbenen Rasse“ zusammengetragen haben.
Die Elbe durchfließt das schön Mittelgebirge Böhmens von Leitmeritz nach Aussig (Usti nad Labem) und weiter bis zum Eingangstor in die Böhmische Schweiz
Dr.-Edvard-Beneš-Brücke (Most Dr. E. Beneše) in Ústí nad Labem, Ort des Massakers von 1945
Dr.-Edvard-Beneš im Londoner Exil: „In unserem Land wird das Ende dieses Krieges mit Blut geschrieben werden. Den Deutschen wird mitleidlos und vervielfacht all das heimgezahlt werden, was sie in unseren Ländern seit 1938 begangen haben. Die ganze Nation wird sich an diesem Kampf beteiligen, es wird keinen Tschechoslowaken geben, der sich dieser Aufgabe entzieht, und kein Patriot wird es versäumen, gerechte Rache für die Leiden der Nation zu nehmen.“
Dr.-Edvard-Beneš-Brücke in C, Ort des Massakers von 1945
Die Zahl der Toten bei diesem Massaker von der Brücke in die Elbe gestoßen wurden, ist mit etwa 2000 angegeben. Genaue Opferzahlen sind aus tschechischen Archiven nicht freigegeben worden. Dr Beneš: „In unserem Land wird das Ende dieses Krieges mit Blut geschrieben werden. Den Deutschen wird mitleidlos und vervielfacht all das heimgezahlt werden, was sie in unseren Ländern seit 1938 begangen haben.“
Adrian Ludwig Richter: Überfahrt am Schreckenstein, 1837, Galerie der neuen Meister in Dresden: Um diesen Felsen rankten sich viele Geschichten. Vor dem Bau der großen Elbschleusen barg die Passage des Flussabschnittes sicherlich erhebliche Gefahren
Den hundert Meter steil abfallende Granitfelsen mit der Burg Schreckenstein verglichen viele Schiffer mit der Loreley am Rhein.
Das Ende der Romantik am Schreckenstein: Das Erzgebirge mit seinen Braunkohlevorkommen und seiner Stahlindustrie liegt in der Nähe Aussigs. Ein starkes Industriewachstum sowie die Ausweitung des Schiffsverkehrs führten zu zahlreichen Veränderungen des Flusses und der Stadt
Es siedelten sich Webereien, Farbenhersteller und Papierfabriken an. Knapp sechzig Bergwerke nahmen den Betrieb auf. Die mittelalterlichen Häuser und Renaissancebauten wurde abgerissen. Die Stadtmauer wurde abgetragen.
An der tschechischen Elbe haben sich die Wasserbauer ausbelebt: Eine Zäsur für das Burgareal war der Bau einer mächtigen Staustufe im Zuge der Elbe-Moldau-Regulierung. Die Elbe wurde 8 Meter an Wehr hoch aufstaut
Den natürlichen Fluss behindern in Tschechien 2 Talsperren, 24 Staustufen mit Schleusen und 27 weitere Wehre und Sohlschwellen, also insgesamt 53 Querbauwerke.
Von Aussig (Usti nad Labem) nach Hamburg? Das 30.000 Quadratmeter große Gelände des Moldauhafens in bester Lage Hamburgs wurde mit dem Versailler Vertrage für 99 Jahre an die Tschechoslowakei verpachtet. Trotz großzügiger Angebote der Hansestadt wird das kaum genutzte Hafengelände nicht freigegeben
Die Elbe stellt für das Binnenland Tschechien die einzige schiffbare Verbindung zu den Weltmeeren her. Nur unter dem Zwang der beginnenden Kriegswirtschaft trafen in Hamburg Jahr 1937 mehr als zweitausend Binnenschiffe aus dem Gebiet der Tschechischen Republik ein.
Das Foto von Usti nad Labem zeigt den Kontrast der Gründerzeitgebäude am Ufer und den modernen Plattenbauten am Berg: An die Stelle der Vertriebenen Deutschen kamen Tschechen als auch Repatrianten, wie Slowaken und Roma. Die kulturelle und historische Tradition der Region brach damit ab
Ústi geriet in die internationalen Schlagzeilen, als die Stadt den Bau einer Mauer begann, um ein hauptsächlich von Roma bewohntes Stadtviertel abzugrenzen. Daraufhin wurde die Eignung Tschechiens für seine Mitgliedschaft in der Europäischen Union vorübergehend in Zweifel gezogen.
Ein vor das Haus geworfener Stuhl steht für die Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat (Jimmy Fell im Skulpturenpark Deutsche Einheit)
Etwa ein Fünftel der Altstadt Aussigs fiel im April 1945 den Luftangriffen der westlichen Alliierten zum Opfer. Der Luftangriff traf eine Stadt, in der sich neben Alteingesessenen (knapp 60.000 Deutschen und etwa 3.000 Tschechen) viele ehemalige Zwangsarbeiter aus Polen, der Sowjetunion und dem Protektorat Böhmen und Mähren befanden. Darüber hinaus wurden viele westdeutsche Familien in der Stadt eingewiesen, deren Häuser von den Alliierten zerbombt worden waren. Wenige Monate später verloren 53.000 Deutsche aufgrund der Beneš-Dekrete ihre heimatliche Stadt.
Alle historischen Dokumente wurden vor 1945 in deutscher Schrift verfasst und sind für Tschechen nicht lesbar, nun werden sie aufgearbeitet
Andreas Kalckhoff viele davon auf Deutsch und Tschechisch wissenschaftlich aufgearbeitet. Im Tschechischer Rundfunk, am 28. März 2013, sagt er: „Das Ziel ist vor allem, die jüngere Generation mit diesen Ereignissen vertraut zu machen. Ich glaube nicht, dass man an der Meinung von älteren Leuten viel ändern kann.“ Ich denke, dass die eher kleinen und geschichtslosen Städte an der Elbe noch lange unwissend verbleiben, denn wer Abitur hat bleibt nach dem Studium in Prag.
Der Historiker Graf Krockow schreibt zu Děčín
„Am Ufer sieht man schöne Häuser, die vom Wohlstand ihrer Erbauer künden. Aber oft sind sie verlassen und verfallen. 1945 nahmen die Tschechen Rache für das, was Hitler ihnen angetan hatte. Die deutschen Bewohner wurden vertrieben und konnten froh sein, wenn sie ihr Leben retteten. Aber die, die nun nachrückten und sich im fremden Besitz einrichteten wurden wieder von Ängsten getrieben und investierten nichts. Krockow spricht weiter vom unseligen Einfluss der Vertriebenenverbände und dem“ Kreislauf der Lähmung und des Unheils“.
Von 1945 bis zur Wende im November 1989 war die Tschecho-Slowakische Republik von der russischen Armee besetzt, die Aufarbeitung der Geschichte ließ 55 Jahre auf sich warten
Das Bild stammt aus der Zeit des Prager Frühlings, in einer Zeit des heldenhaften Aufstandes in Tschechien. 1968 marschierten etwa eine halbe Million Soldaten ein, es war die größte Militäroperation in Europa seit 1945. 55 Jahre russisch Besatzung wirkt nach: Die Bevölkerung der Elbstädte wählten im Herbst 2018 zu 40 % rechtsnational, aber ich denke auch im nahen Dresden gibt es vergleichbares Wählerverhalten.
Bereits 1998 ist der tschechische Verein Anti-komplex gegründet worden, und die Zeit der Verdrängung bei den jungen Leuten neigt sich dem Ende zu
Wer verdrängt bekommt auf Dauer einen „Komplex“. Der Verein „Anti-komplex“ bemüht sich seit Jahren um eine kritische, tschechische Aufarbeitung der jüngeren nationalen Geschichte, in der bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auch drei Millionen Deutschböhmen ihren festen Platz hatten. Ondřej Matějka ist Leiter und Gründer des Vereins, seine Veröffentlichungen haben großen Widerhall bei jungen Tschechen gefunden.
Ebenfalls von der Elbbrücke: Unter dem Vulkankegel des Mittelgebirges sieht man die neuen Stadtviertel der Stadt Děčín. Vorwiegend an den Stadträndern wurde seit den 1960er-Jahren zusätzlicher Wohnraum in Neu- und Plattenbauten für die wachsende Bevölkerung geschaffen
Die Altstadt Decins ist nicht besonders sehenswert, und Zuge der Stadtentwicklung wurden zahlreiche alte Gebäude abgerissen, darunter Teile des alten Tetschner Stadtkerns.
Ein Foto von der Autobahnbrücke: Die Stadt (Tetschen) liegt in einem Talkessel im Übergangsbereich zwischen dem Böhmischem Mittelgebirge und der Böhmischen Schweiz. Im Hintergrund erkennt man die runden Vulkanberge des Mittelgebirges und bereits hinter der Brücke verengt sich das Tal zum Elbcanyon der Böhmischen Schweiz
-
Ein Bild von eben dieser Elbbrücke mit Blick zur Böhmische Schweiz: Das Eingangstor zur Böhmische Schweiz beginnt unmittelbar jenseits der alten Elbbrücken der Stadt. Man erkennt hier schon die bekannten Sandsteinfelsen der Schäferwand, der erste bekannte Kletterberg der Böhmischen Schweiz
-
Im Jahr 1905 wurde auf der Schäferwand eine Burg überwiegend im Stil der Neugotik errichtet. Es war die Zeit des Stilpluralismus, in der architektonisch alles erlaubt war, Hauptsache es sieht gut aus. Das ist wahrlich gelungen, so ist die Schäferwand ein beliebtes Ausflugsziel mit schönen Aussicht auf das Elbtal und das Schloss Děčín
-
Děčín wird von einem Renaissanceschloss an der Elbe überragt, dessen Geschichte ein Spiegelbild des Schicksals der Grenzstadt Děčín ( Tetschen) ist
Das Schloss war abwechselnd in den Händen von sächsischen, schwedischen und kaiserlichen Truppen. 1934 ist es zu einer Kaserne der Tschechischen Armee umfunktioniert worden; im Zweiten Weltkrieg zog die Reichswehr ein, und nach dem Prager Frühling wurde das Schloss vorübergehend von der Sowjetarmee als Kaserne in Besitz genommen.
Am Ostrand des Sandsteingebirges beginnt auf beiden Ufern der Elbe ein flacher Landschaftsbereich, der ideal für den Verkehr der Bahn quer zu Elbe geeignet ist. Děčín besitzt den wichtigen Eisenbahn-Grenzübergang zwischen Deutschland und Tschechien, der ein Teil der transeuropäischen Verkehrsachse Nord-/Ostsee – Dresden – Prag geworden ist
So erkennt man auf der alten Eisenbrücke einen langen Containerzug auf seinem Weg nach Westen.