5.3. Beitrag Die Tideelbe von Geesthacht bis zu den Ebbrücken
Das Sperrwerk Geesthacht
Unter dem Eindruck der Flutkatastrophe von 1953 kam man im Hamburger Umland zu dem Entschluss, ein großes Elbsperrwerk errichten zu müssen. Diese Staustufe entstand nahe der schleswig-holsteinischen Stadt Geesthacht und wurde 1960 in Dienst gestellt. Das Sperrwerk besteht aus einer rund 175 Meter langen Schleusenbrücke, einer etwa 550 Meter langen Dammstrecke und der 410 Meter langen Wehrbrücke. Zur Verbesserung der Fahrwassereigenschaften des Hamburger Hafens wurde die Unterelbe mehrfach vertieft, das führte oberhalb von Hamburg bis nach Geesthacht zur Flussgrunderosion und zu einem Absinken der Grundwasserstände. Der Bau des Sperrwerkes war für die weiteren Elbvertiefungen Hamburgs ebenso notwendig wie zur Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Verhältnisse.
Die Einfahrt in den Schleusenkanal
Als man die Geesthachter Schleuse errichtete, wurde Hamburg noch nicht von Containerschiffen angelaufen. Man befand sich noch inmitten eines Stückgut-Booms. Der Containerboom setzte erst ein knappes Jahrzehnt später ein. Nur Elbschiffe mit maximal zwei Lagen der Metallkisten können die Staustufe durchqueren, und das ist in den meisten Fällen zu unrentabel, obwohl es einen Elbe-Seitenkanal gibt, der den Hauptstrom schont
In der Geesthachter Schleuse
Für die Renovierung der Schleusen ist kein Geld da, und sie sind in einem maroden Zustand. Auf der Elbe, ihren Nebenfüssen und Kanälen, wie etwa auch dem Elbe-Seitenkanal, werden gegenwärtig lediglich 4 % der Verkehrsleistungen der gesamten deutschen Binnenschifffahrt abgewickelt. Gleichzeitig erfordert das Elbegebiet rund 8 % des Budgets der öffentlichen Ausgaben für Unterhalt und Betrieb der Schifffahrtstraßen. Auch der Elbe-Seitenkanal ist mit hohem technischem Aufwand für Hebewerke und Trögen zur Überquerung von Straßen gebaut worden. Beispielhaft ist das Schiffshebewerk Lüneburg in Schönebeck, das mit einer maximalen Fallhöhe von 38 m das zweitgrößte Senkrecht-Hebewerk Europas ist.
Hohe Stromgeschwindigkeit bei geöffnetem Sperrwerk Geesthacht
Mit der Errichtung der Geesthachter Staustufe im Jahr 1960 wurde die biologische Durchlässigkeit zwischen Unter- und Mittelelbe gravierend und nachhaltig gestört. Auch die Dove-Elbe, die mit den Deichen der Vierlande vom Hauptstrom abgetrennt wurde, gehört morphologisch zur Mittelelbe. Bis vor ca. 100 Jahren war die Elbe hier so gut wie tidefrei. Heute beträgt der Tidenhub bei Geesthacht durchschnittlich 2,2 Meter. Kein anderer Abschnitt der Unterelbe hat infolge des Tidenhubanstiegs in so kurzer Zeit eine derart drastische Veränderung seiner ökologischen Eigenschaften erfahren. Dies hat zu einer starken Reduzierung der Süßwasserwatts geführt, zudem auch zur Gefährdung der Ufervegetation.
Unterhalb des Sperrwerkes ist eine neue Elblandschaft entstanden.
Die zeitweise größere Fließgeschwindigkeit der Elbe unterhalb des Sperrwerks führte zur Ausbildung großer Sandbänke. Diese Region ist zwar nicht typisch für die Elbe, aber ergänzt durch Weichholzauen und Silberweiden hat sie dennoch ihren Reiz. Das hier neu entstandene Landschaftsschutzgebiet ist als Ausgleich für das Mühlenberger Loch entwickelt worden, das im Zuge der Airbus-Erweiterung teilweise zugeschüttet werden musste. Viele Naturschützer sind der Meinung, dies sei ein sinnvoller Tausch gewesen.
Eine hohe Deichlinie begleitet die Obere Tideelbe
Unter dem Eindruck der Flutwasserkatastrohe von 1992 wurde eine hohe Deichlinie bis hin zum Sperrwerk errichtet. Heute beträgt der Tidenhub bei Geesthacht durchschnittlich 2,2 Meter. Kein anderer Abschnitt der Unterelbe hat infolge des Tidenhubanstiegs in so kurzer Zeit eine derart drastische Veränderung seiner ökologischen Eigenschaften erfahren. Dies hat zu einer starken Reduzierung des Süßwasserwatts geführt, zudem auch zur Gefährdung der Ufervegetation.
Vierlande, Winsen. Aufgenommen in den Jahren 1789 bis 1796 unter der Direktion des Majors Gustav Adolf von Varendorf
Der Schlick, der aus Ablagerungen der Vegetation an der Oberelbe bestand bildete aus dem meerwärts fließenden Wasser ein sehr nährstoffreiches Süßwasser-Binnenwatt. Hier starben große Mengen kleinerer Süßwasser-Organismen ab, die das Salzwasser nicht vertragen konnten. Das Sumpf- und Weideland entlang der Dove und der Gose Elbe deichte Hamburg ab 1437 ein. So entstanden die so fruchtbaren Vierlande, deren Name auf einen Zusammenschluss der vier Kirchspiele oder Stadtteile Altengamme, Curslack, Kirchwerder und Neuengamme im 16. Jahrhundert anspielt. Die Millionestadt will versorgt werden und hunderte Tonnen Obst Gemüse und Blumen kommen in aller Frühe auf den Hamburger Markt. Die Vierlande stehen nicht nur für den Obstanbau, sondern hier wachsen auch die meisten Schnittblumen in Deutschland
Das Rieck–Haus, Freilichtmuseum in Hamburg-Curslack
Vom Wohlstand der Bauern zeugt heute noch das Rieck–Haus in Hamburg-Curslack. Als dieses Haus entstand, war die Bevölkerungsdichte der Vierlande noch sehr gering. Es mag sein, das hier noch der Großbauer mit „Klei an de Fööt“ im Reetdachhaus lebte und Blumen anbaute, die das Hauptprodukt der Vierländer Bauern waren. Er brachte seine Ware mit einem kleinen Ewer nach Hamburg und war also Direktvermarkter. Um 1900 segelten die Landwirte ihre Erzeugnisse mehrheitlich nicht mehr in den Hamburger Hafen, sondern sie ließen sich reihenweise von motorisierten Schleppern durch den Zollkanal schleppen. Mit dem Wachstum des Güterverkehrs per Lkw über ein immer besser ausgebautes Straßennetz verlagerten sich Warentransporte im Nahbereich der Hansestadt.
Das Zollenspieker Fährhaus das vorgelagerte Pegelhaus
Die Zollenspieker Fähre über die Elbe verbindet Hamburg im Bereich der Vierlande mit Niedersachsen. Das Fährhaus mit seiner beliebten Gastronomie und das Pegelhaus stehen seit langem unter Denkmalschutz. Die Landschaft im Umland des Fährhauses gehört zu den bedeutendsten Schutzgebieten der Tideelbe.
Das Schutzgebiete Zollenspieker
Fünf Naturschutzgebiete im Bereich der oberen Tideelbe sind Bestandteile des Projektes Natura 2000 – Elbeästuar. Hiermit wurden sie zugleich auch Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes. Die wichtigsten von diesen, nämlich die, Kiebitzbrack und Heuckenlock liegen an den Deichen der Vier und Marschlande. Anders als die Uferbereiche der Mittelelbe wird der Zollenspieker zwar von der Tide beeinflusst, aber er stellt dabei zugleich eines des seltenen Süßwasserwatts dar.
Der Lebensraumtyp „Flüsse mit Schlammbänken“, die natürliche Vegetation der Oberen Tideelbe
Die Tideelbe gehört hier zum Lebensraumtyp „Flüsse mit Schlammbänken“, Eine Besonderheit des Raumes stellen die außerordentlich dichten und sehr hohen Schilfröhrichte dar, ein typisches Vorkommen an der Unterelbe.
Das Süßwasserwatt – Blick ins Naturschutzgebiet „Heuckenlock“ an der Elbe bei Ebbe
Als Folge eines Deichbruchs wurde das Land überflutet. Hier sprudelte das Wasser, und es bildete sich somit ein tieferes Loch, ein sogenannter Kolk. Der neue Deich wurde nun landseitig um diesen zerstörten Abschnitt herumgeführt. Das Heuckenlock, plattdeutsch für „Loch“, liegt vor dem Deich und wird daher jährlich hundertfach durch Spring- und Sturmfluten überschwemmt. Mit dem Wort „Brack“ werden im niederdeutschen Sprachraum stehende Gewässer bezeichnet, die heute Seen oder Teiche sind. Die Brackgewässer entstanden ebenfalls bei Deichbrüchen während einer Sturmflut, der neue Deich konnte jedoch um den entstandenen Kolk herumgebaut werden. Die Deiche der Vierlande sind mit vielen Bracks durchsetzt und bereits 1973 wurde die Reit, ein Hamburger Brackwasser-Feuchtgebiet in den Vier- und Marschlanden, zum Naturschutzgebiet erklärt.
An der Bunthäuser Spitze teilten sich Norderelbe und Süderelbe
Durch einen von ihnen errichteten Leitdamm konnten die Hamburger Wasserbauer die Wassermenge beider Flussarme regulieren. Man begradigte den Flusslauf der Elbe, machte den nach Hamburg führenden Norderelbe zum Hauptstrom und sorgte somit für eine gute Erreichbarkeit des Hamburger Hafens durch Seeschiffe. Die Flussbaumaßnahmen der Hanseaten bewirkten aber auch eine zunehmende Versandung des ihnen gar nicht gehörenden Harburger Hafens, und der Süderelbe verkam nach und nach zum unbedeutenden Nebenarm.
Der Leuchtturm an der Bunthäuser Spitze signalisiert die Einfahrt in die Norderelbe
Der heute friedlich aussehende, lässt nichts mehr von den langen Auseinandersetzungen um die Flussregulierung ahnen. Der Herzog von Lüneburg und Braunschweig klagte vor dem Reichskammergericht und pochte auf die Anerkennung der Süderelbe als Hauptfluss, doch der Prozess zog sich extrem lang hin. 1568 beauftragte der Hamburger Senat den Maler Melchior Lorich mit der Anfertigung einer zwölf Meter langen Karte der Elbe von Geesthacht bis Cuxhaven. Diese Karte war ein Meisterwerk, und mit ihr sollte dem Gericht offenkundig dargelegt werden, dass die Unterelbe nur eines sei: Ein Hamburger Fluss. Die Entscheidung des Reichskammergerichts fiel endgültig erst 1680 und gerade rechtzeitig für Hamburg. Columbus, Vasco da Gama, Magellan und die spanischen Konquistadoren öffneten die Welt für die den Handel in der Hansestadt, es begann für Hamburg eine erste Welle der Globalisierung.
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Landschaften an der Norderelbe
Mit einem durchschnittlichen Tidenhub von zwei bis drei Metern wird die natürliche Vegetation des Süßwasserwatts an der Bunthäuser Spitze das ganze Jahr hindurch stark beeinträchtigt. Die Landschaft ist infolge des intensiven Schiffsverkehrs industrialisiert worden, die Uferlinie zum größten Teil mit Deckwerken befestigt und durch Buhnen gegliedert. Selten ist das Vorland breiter als drei Meter, und auch die noch immer mit Röhrichten und Auenwaldresten bestandenen Flusswatten fallen eher schmal aus
Dove Elbe und die Norderelbe, beide Gewässer bilden die Spadenländer Spitze.
Hier befindet sich ein Mosaik ökologisch unterschiedlich bedeutsamer Flächen und noch ungenutzter Abschnitte, die sich im Sinne des Naturschutzes entwickeln lassen. Im Hintergrund ist das etwa 36 Millionen Euro teure Pilotprojekt Kreetsand zu sehen, bei dem es um die Gestaltung eines neuen Beckens als Retentionsfläche des Tidestroms geht. Mittlerweile ergeben die ein unter Naturschutz stehendes Areale eine Fläche von 222 Hektar, das sich von hier entlang der Norderelbe bis zur Bundesautobahn A1 im Norden erstreckt. Die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein entwickelten und beschrieben gemeinsam mit der Stadt Hamburg das Teilprojekt „Elbeästuar“ zur Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie „Natura 2000 – Elbeästuar“. Die Paragraphen 92/43/EWG, Grundlage der europaweiten Natura Projekte deren Einhaltung mitentscheidend für die geplante Elbvertiefung ist.
Kreetsand
Dieser neue Flutraum, für den allein zwei Millionen Kubikmeter Boden ausgehoben und verlagert werden müssen, soll zu einer Dämpfung des mittleren Tidegeschehens in Höhe von etwa fünf bis zehn Zentimetern beitragen. Von hier aus, über die Spadenländer Spitze bis zur Elbinsel Kaltehofe und dem renaturierten Holzhafen entwickelt Hamburg das „Trittsteinhabitat Norderelbe“. Im Rahmen des Projektes „Natura 2000 – Elbeästuar“ ist Hamburg verantwortlich für die Entwicklung ökologischer Brücken von der oberen Tideelbe in den unteren Flussbereich.
Die Elbinsel Kaltehofe und der renaturierte Holzhafen
Von der Spadenländer Spitze und Kreetsand aus erreicht der Fluss die Elbinsel Kaltehofe. Hier lag einmal das Wasserwerk der Hansestadt. Die nicht mehr genutzten Wasserbecken dienen heute Vögeln wie dem Zwergtaucher als Rast- und Brutplatz. Die Insel ist von Nordwest nach Südost 1,8 km lang und im zentralen Bereich 520 Meter breit. Sie entstand zwischen 1875 und 1879 im Zuge einer Begradigung des Verlaufs der Norderelbe. Der ursprüngliche Verlauf des Stroms führte im Osten der Kaltehofe durch die Billwerder Bucht (rechts im Bild). In dieser Bucht liegt auch der inzwischen ausgebaggerte Holzhafen, der nun erneut am Tidegeschehen teilnimmt. Im Hintergrund der Luftbildaufnahme sind bereits die Elbbrücken zu sehen.
Bei den Elbbrücken endet der obere Flussbereich der Tideelbe.
Durch die Elbbrücken ist schon die neue Hafencity und die Elbphilharmonie zu erkennen.
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